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(un)typische Klettererlebnisse
Einige Gedanken zur sächsischen Kletterethik
Wohin tendiert die gern
zitierte "sächsische Kletterethik"? Diese Frage drängt
sich mir seit den recht kompakten und aufschlußreichen
Erlebnissen eines Wochenendes im Mai verstärkt auf. Dazu
vielleicht eine kurze Schilderung.
Wir erstiegen unter
anderem den "Burgener Turm". Die ganze Zeit über
fühlten wir uns vehement von den Äußerungen anderer
Bergfreunde am "Titan" gestört. Der sichernde
Seilerste saß bereits auf dem Gipfel und mußte sich
permanent lautstark erkundigen, wo sich seine Nachsteiger befinden.
Ist es denn derart schwer, seinen Standplatz so auszuwählen, daß
man wenigstens den oberen Teil des Aufstieges einsehen kann? Man ist
somit nicht (mehr) genötigt, die Erfolge der Nachsteiger
akustisch auszuloten. Das Seil würde nicht mehr über
Gipfelkopf und Kanten gezogen, was Fels und (bei »unwilligen«
Nachsteigern) auch Kraft schont.
Doch zurück zum
"Burgener Turm". Im Gipfelbuch lasen wir von einem neuen
Aufstieg links von "Himmelwärts". Der Weg sollte drei
Ringe besitzen, dabei ist der zweite Ring identisch mit dem vom
"Alten Weg". Vermutlich hatte der Erstbegeher
nur übersehen, daß zum "Alten Weg" je eine
Einstiegs- und Ausstiegsvariante existiert, welche so ziemlich genau
den neuen Aufstieg abdecken.
Die Ringe in der Wand
fanden wir nicht, dafür Bleistreifen am Wandfuß, welche
wohl darauf hindeuteten, daß ein anonymer Sportsfreund sich
ebenfalls nicht mit der Erstbegehung anfreunden konnte.
Soweit die Tatsachen. Doch warum kann man nicht mit seinem Namen dazu
stehen und wenigstens im Gipfelbuch vermerken, wenn man eigenmächtig
Ringe entfernt (oder gar zusätzliche anbringt), so wie dies bei
KTA-Arbeiten gehandhabt wird?
>Im Anschluß gingen
wir zum "Titan". Die lärmende Menschenmenge belagerte
(immer noch) Gipfel und Wandfuß der Südwestwand, von
Kletteraktivitäten war nichts zu bemerken. Also konnten wir
einsteigen. Kaum in der Wand, kam vom Gipfel ein Seilende geflogen.
Das Seil hatte sich verfangen, Fehlversuch! Also Seil einziehen und
erneut hinab befördern. Beim dritten oder vierten Versuch
schaffte es der Mensch auf dem Gipfel endlich, unseren Vorsteiger in
der Wand zu treffen. Nach herzlicher Kritik wurde von weiteren
Seilwurfversuchen abgesehen. Auf dem Gipfel folgte eine
Entschuldigung sowie die Bemerkung, daß die am Wandfuß
auf das Seil wartenden Kletterer über langjährige
Erfahrungen verfügen und dem Seilwerfer mitteilen sollten, ob
die Wand frei ist. Was sich bei einer langjährigen Kletterpraxis
doch alles an Erfahrungen ansammelt ... ?!
Als wir nachmittags am
"Schiefen Turm" ankamen, war dort an fast jedem Gipfel ein
Toprope installiert. Alle Anwesenden nahmen dies als
Selbstverständlichkeit hin, unsere Äußerungen zu
dieser Unsitte wurden ignoriert. Ist dieses gefahrlose
Freizeitvergnügen inzwischen salonfähig geworden?
Weitere Erlebnisse mit Toprope-Sportlern u.a. an der "Großen
Hunskirche" sprechen zumindest nicht dagegen.
Einen Tag später
waren die Pechofenhörner das Ziel der Wahl. Im
"Gipfelstürmerweg" (V) auf das "Hintere
Pechofenhorn" mußten wir zur Kenntnis nehmen, daß
sich im "engen Riß" nach dem nR jemand einen Griff in
den Fels modelliert hat. Was soll denn so etwas? Der Weg kann doch
nichts dafür, wenn sich jemand unkoordiniert an den Fels stellt!
Wenn man den Schwierigkeiten des Aufstieges nicht gewachsen ist, kann
man am Ring bequem und sicher den Rückzug antreten.
Die angeführten
Merkwürdigkeiten sind mit Sicherheit nicht die
einzigen Unstimmigkeiten im bekletterten Elbsandstein. Doch wie geht
es weiter mit den schleichenden Regelverstößen?
Fühlt sich sachte
jeder berufen, den Fels seinen eigenen Leistungen anzupassen? Wo soll
uns, die wir einfach nur Spaß an der Auseinandersetzung mit der
Natur finden, der von einigen gezeigte, übertriebene Ehrgeiz /
Egoismus hinführen? Haben es die Kletterer mittlerweile nötig,
das bereits bestehende Konfliktpotential zur Nationalparkkonzeption
zu vergrößern? Muß man in schon der Anonymität
der Gesellschaft untertauchen und sich im Anschluß mit
regelwidrigem Verhalten Selbstbestätigung verschaffen?
Autor/in: Jens Petrich
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